Bestattungskultur

1. Einleitung
2. Die christliche Bestattungskultur in der Geschichte
3. Die moderne Bestattungskultur
4. Die Position der Kirche

 

1. Einleitung

Quo vadis Bestattungskultur?

Eine Frage die angesichts moderner Bestattungsformen wie der Luftbestattung, der Weltraumbestattung oder auch der Baumbestattung immer mehr Menschen interessiert. Dieses Interesse wird gerade im täglichen Umgang mit trauernden Angehörigen offenbar. Die zeitgenössische Bestattungskultur unterliegt immer mehr kurzfristigen Trends
und - leider - auch einem Hang zur Entsorgungsmentalität.
Der Anteil anonymer Bestattungen nimmt zu und die Anzahl der profanen, also nichtreligiösen Trauerfeiern steigt.
Die Erfahrung als Bestatter zeigt, dass die Entscheidung für eine anonyme und möglichst kostengünstige Bestattung von vielen Angehörigen schon bald bedauert wird. Die Trauer braucht einen Ort - diese Feststellung bleibt für viele Angehörige nicht bloße Worthülse sondern wird mangels eines Grabes bald schmerzlich als Wahrheit empfunden.

Es geht nicht allein um die Empfindungen der Hinterbliebenen, auch die Würde des Verstorbenen gilt es zu achten. Denn: Die Würde des Menschen erhebt Ihren Anspruch auch über den Tod hinaus. Dieser christliche Gedanke begründet sich auf der Erkenntnis dass "jeder Mensch vor Gottes Angesicht unverwechselbar und unersetzbar ist", so formulierte es der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, am 24. März 2004 in Berlin "gerade diese christliche Hoffnung motiviert uns zum Einsatz für eine Gesellschaft, in der die Würde des Menschen geachtet wird bis in den Tod hinein und über den Tod hinaus."

Im Christentum findet diese Einsicht seit jeher ihren Niederschlag in der Kultur der Bestattung. Ein Blick auf die historische christliche Bestattungskultur und der Vergleich mit den modernen Bestattungsformen kann dazu dienen, den Blick für dieses Thema zu schärfen und für fragwürdige Entwicklungen zu sensibilisieren.

2. Die christliche Bestattungskultur in der Geschichte

Der christlichen Bestattungskultur geht eine Jahrtausende währender nicht christlicher Totenkult voraus. Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass das Menschsein sich auch über den Umgang mit den Toten definiert.

Forscher, die an eine Abstammung des Menschen aus dem Tierreich glauben, haben sich Gedanken darüber gemacht, wann man noch vom Tier sprechen muss und ab wann man vom Menschen reden kann. Viele von ihnen sprechen von da an von "Menschen", wenn "Menschenaffen" ihre Verstorbenen nicht mehr einfach so in der Savanne liegen ließen und weiterzogen, sondern sich um sie in irgendeiner Art und Weise kümmerten - sei es, dass sie sie begruben oder sie mit Steinen bedeckten, um sie vor den Hyänen und Geiern zu schützen.

Man lernt nie mehr über eine Kultur, als wenn man ihren Umgang mit den Verstorbenen betrachtet. Der Umgang mit den Toten lehrt uns unendlich viel über den Glauben und das Hoffen der Völker. Zwei Beispiele aus dem Raum des Mittelmeeres:

Die Ägypter trieben einen ausgeklügelten Totenkult, zu dem auch große Mühen um den Erhalt des Körpers des Toten gehörten. Man glaubte, daß jeder Mensch einen "Ka" besaß, ein mythisches Abbild seiner selbst, durch das er am Leben erhalten werde. Mit dem Tode trennten sich dann Leib und "Ka". Doch der (oder das) "Ka" brauchte den Leib auch weiterhin. Darum wurde der Körper eines Toten sorgfältig vor dem Verfall durch Mumifizieren geschützt.

Im Gegensatz dazu sahen die antiken Griechen und Römer den Leib als Gefängnis der Seele an. Die Seele war "das Eigentliche" am Menschen und musste vom Körper befreit werden um richtig selig sein zu können. Darum wurde in der griechischen und römischen Antike der Körper eines Toten durch Verbrennen zerstört.

Diesen antiken Bräuchen ist ein Hintergrund gemein: Die Überzeugung davon, dass das Dasein nach dem Tod in eine andere Form übergeht. Diese Überzeugung teilen auch die Christen: Nach christlichem Glauben ist der Tod zugleich auch der Übergang in das ewige Leben. Luther hat es so formuliert: " Es ist, wie wenn ein Mensch zur Welt geboren wird durch viel Bedrängnis und durch viel Enge, so werden wir hinein geboren in das Leben der neuen Schöpfung". Aus Sicht der Bibel gibt es ein zentrales Datum, das den christlichen Umgang mit Tod und Trauer geprägt hat: Letzter Grund für den Glauben und die Hoffnung des Christen angesichts des Todes sind Tod und Auferstehung Jesu Christi. Sein gewaltsamer und für menschliches Verstehen sinnloser Tod war Durchgang in ein neues Leben.

Die Bräuche der christlichen Bestattung bildeten sich auf Grundlage der heidnischen und jüdischen Gepflogenheiten, mit der Ausnahme, dass die Feuerbestattung strikt abgelehnt wurde. Die christliche Sterbe-, Trauer- und Begräbnisliturgie setzte - im Gegensatz zu den heidnischen Bräuchen - schon lange vor dem Augenblick des Sterbens ein und endete nicht mit der Bestattung. Der Tod wurde nicht als Ende des Lebens, sondern als Grenze zwischen zwei Lebensabschnitten gesehen. So wurde automatisch aus dem beistehenden Gebet für den Sterbenden die Fürbitte für den Verstorbenen, die dann mit der Bestattung nicht aufhörte. Die Angehörigen sollte durch die Botschaft von der Auferstehung vor unchristlicher Trauer und Verzweiflung bewahrt, sowie getröstet und in ihrer Hoffnung gestärkt werden.

Im 7./8. Jh. sah das in Rom ungefähr so aus: Beim Herannahen des Todes: Darreichung der Sakramente als Wegzehrung (Beichte, Krankensalbung, Eucharistie). Bis zum Verscheiden: Lesung der Passionsgeschichten durch einen Priester oder Diakon. Unmittelbar nach Eintritt des Todes: Psalmengesang und Gebete - Waschung und Aufbahrung - Prozession zur Kirche mit Psalmengesang - in der Kirche Psalmen und Lesungen, Messfeier - Prozession zum Begräbnisplatz unter Psalmengesang mit Weihrauch und Kerzen - Begräbnis mit Lesungen, Gebeten und Psalmengesang. Interessant ist, dass man den Leib des Toten als Tempel des heiligen Geistes und darum nicht mehr (wie im AT) als unrein ansah und ihn auch mit in die Kirche hinein nahm. Ein Vorgang, der im jüdischen Jerusalemer Tempel undenkbar gewesen wäre.

Blickt man auf die christlich-abendländische Tradition, so gehörten Tod und Bestattung jahrhundertelang zur Domäne der Kirchen. Bis in die Neuzeit hinein waren die Muster der Trauerkultur vom christlichen Glauben und kirchlichen Institutionen geprägt. Das Christentum hatte die Toten bekanntlich in das Zentrum der Städte geholt, weil es der christliche Glaube erstrebenswert erscheinen ließ, bei den Reliquien bestattet zu werden. So waren Kirche und Kirchhof zum klassischen Ort christlicher Bestattung geworden - entweder als privilegierte Grabstätte im oder direkt am Gotteshaus, zumindest aber auf dem umliegenden Kirchhof.

3. Die moderne Bestattungskultur

In aller Regel sind heutige Bestattungen stark vom christlichen Glauben geprägt. Selbst nichtkonfessionelle Beerdigungen bedienen sich häufig noch der christlichen Tradition. Die christlichen Kirchen haben mittlerweile die Einäscherung akzeptiert (die katholische Kirche offiziell erst 1963). Durch die Aufklärung im 19. Jahrhundert kam diese alte Bestattungsform wieder in Mode. Allerdings nicht, weil man an eine aus der Asche aufsteigende Seele glaubte, sondern aus praktischen Gründen: Eine Leichenverbrennung im Krematorium ist hygienisch und kostensparend. Der Preis für den kleineren Urnen-Grabplatz ist bis heute für viele ein wichtiger Grund, sich dafür zu entscheiden. Einige wählen sogar anonyme Bestattungen, um Angehörigen die Grabpflege ganz zu ersparen.

In Deutschland gibt es bisher, anders als z.B. in Italien oder den Niederlanden, den "Friedhofszwang": Jede Bestattung, ob Sarg oder Urne, muss auf einem kirchlichen oder öffentlichen Friedhof stattfinden. Einzige Ausnahmen: Die Seebestattung von Urnen und seit neuestem das Urnenbegräbnis unter einem Baum in einem "Friedwald".

Über die gängigen Bestattungsformen hinaus gibt es die Weltraumbestattung, bei der ein Teil der Asche des Verstorbenen in einer etwa lippenstiftgroßen Kapsel in den Orbit geschossen wird. Der Hauptteil der Asche wird konventionell beigesetzt.

Bei der Luftbestattung wird die Asche des Verstorbenen aus einem Kleinflugzeug oder einem Heißluftballon heraus verstreut. Die Verstreuung darf nicht über deutschem Boden erfolgen - dies widerspräche dem erwähnten Friedhofszwang.

Noch dominiert in Deutschland die traditionelle Erdbestattung, doch die Entwicklung hin zur kostengünstigen Entsorgung oder zur "Eventbestattung" ist unverkennbar.

4. Die Position der Kirche

Im März des Jahres 2004 äußerten sich die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche Deutschlands zu der Entwicklung der Bestattungskultur.

Hier eine Zusammenfassung:

Das Diskussionspapier der Evangelische Kirche Deutschlands, "Herausforderungen evangelischer Bestattungskultur":

  • Die Gestaltung der evangelischen Bestattungspraxis im Sinne einer Entsprechung der Bedürfnisse von Trauernden wird als "Herausforderung" verstanden. Das Profil evangelischen Auferstehungsglaubens darf dabei nicht vernachlässigt werden.
  • Die veränderten Angebotsformen im Bestattungswesen spiegeln die Sehnsucht nach persönlichen Abschiedsformen wider. Grund dafür ist u. a. ein "Widerstand gegen die Anonymisierung des Sterbens und der Bestattung". Das neue Bestattungsgesetz in NRW trägt diesen Wünschen Rechnung, "ohne die öffentliche Dimension der Bestattung beunruhigend zu schwächen."
  • Friedhöfe und neu entstandene Erinnerungsorte werden zunehmend in die Stadtteile integriert. Damit bietet sich die Chance, Kirche als "Orte öffentlichen Totengedenkens" auch kirchenfernen Menschen verstärkt anzubieten.
  • Die Friedwald-Konzeption ist "mit den christlichen Grundüberzeugungen zur Würde des Toten (...) nicht völlig inkompatibel."

Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz, "Christliche Bestattungskultur - Orientierungen und Informationen":

  • Wenn eine bestimmte Bestattungsform aus Gründen gewählt wird, die dem christlichen Glauben widersprechen, z. B. aus pantheistischen oder naturreligiösen Vorstellungen, dann ist ein kirchliches Begräbnis nicht möglich. Dies schließt eine kirchliche Feier zur Verabschiedung vor der Kremation, zur Beisetzung der Urne und auch die Feier der Begräbnismesse (Exequien) aus.
  • Die Konzeption des Friedwaldes stützt sich auf ein naturreligiöses Bekenntnis, das dem christlichen Glauben widerspricht.
  • Ein Ausstreuen der Asche Verstorbener wird grundsätzlich abgelehnt. Jegliche Anonymisierung der Bestattung steht in deutlicher Spannung zum christlichen Glauben, am Ende unseres Lebens als unverwechselbare Personen von Gott auferweckt zu werden.
  • Werden andere Bestattungsformen als die von der Kirche als "vorrangige und bevorzugte Form" der Bestattung erachtete Erdbestattung gewählt, muss auch dort der Glaube an die Auferstehung und das ewige Leben seinen deutlichen Ausdruck finden.
  • Friedhöfe sollten grundsätzlich in kommunaler oder kirchlicher Trägerschaft und Verantwortung liegen.